Brief einer Lehrerin: "Wenns nach Nehammer ginge, hätte ich meinen intelligentesten Schüler nie kennengelernt."

18. August 2021

Meine Bekannte ist Lehrerin und möchte keinesfalls hier mit ihrem Namen vorkommen. Ab und zu kann sie nicht anders, als mir eine Mail mit z.B. folgendem Text zu schreiben. 

Diesmal wendet sie sich vor allem an Nehammer & Kurz. Mit der heutigen Regierung hätte sie ihren intelligentesten Schüler und einen Lehrerkollegen vermutlich niemals kennengelernt. Denn: Sie sind Afghanen. 

Lest am besten selbst: 

 

Multiples Organversagen

Die Welt ist mitten in einer humanitären Katastrophe und Österreich schweigt – wie immer. Vielleicht doch nicht ganz korrekt, da einige Minister und der Bundeskanzler (absichtlich nicht gegendert, da mir nur Männer bekannt sind - Anm. d. Red: Frau Tanner ist Verteidigunsministerin) noch immer weiter nach Afghanistan abschieben wollen und dies auch lauthals verkünden. Aus dem Elfenbeinturm lässt sich so eine Meldung sehr einfach verkünden. Das dies Menschenleben kostet, ist entweder noch nicht ganz oben im Turm angekommen, oder den Verkündern egal. Der Gipfel der Abartigkeit und Menschenverachtung liegt im Wir – wer ist wir und wer soll das sein? Ich bin da bitte nicht dabei.

Mit der heutigen Regierung hätte ich den vermutlich intelligentesten Schüler, den ich je unterrichtet habe, nie kennen gelernt. Seine Sturheit machte mich fertig, brachte mich nicht nur einmal zum Verzweifeln und trotzdem bereue ich keine einzige Diskussion mit ihm, weil sie immer damit endeten, dass beide Parteien einen Kompromiss fanden und einander neue Sichtweisen aufzeigten – wie es in einer Demokratie sein sollte. 

Nehammer hätte ihn wahrscheinlich zurück in die Hände der Taliban nach Afghanistan geschickt.

Ebenso wie meinen Arbeitskollegen, der vor den Taliban aus Afghanistan floh, hier die Schule abgeschlossen hat, seit sieben Jahren im gleichen Betrieb arbeitet und mit seiner Frau und seinem Kind gerne wandert. Jeden Dienstag fährt er seine Frau zum Deutschkurs und die Supermarktkassiererin im Dorf versteht noch immer nicht, dass er nicht dem Staat auf der Tasche liegt, sondern Steuern – und damit ihre baldige Pension - zahlt.  Derzeit hat er keine Ahnung, ob seine Verwandten in Afghanistan am Leben sind oder nicht.

Wir tragen Verantwortung. Wir müssen hinschauen und handeln, wenn Menschen- und Frauenrechte – egal ob in Belarus, Südsudan oder Afghanistan verletzt werden. Verletzt ist gar kein Ausdruck dafür, was momentan passiert. Wenn es ein Organ nicht schafft, kommt es auf die anderen Organe an – wie 2015. Make humanity great again.

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