Das Leben eines Dreißigjährigen

12. Januar 2016

Ich bin im Juni 2015 dreißig geworden. Die gute Nachricht ist, dass es, generell gesehen, nicht anders ist als wenn man 29 ist. Die schlechte Nachricht: Es werden von einem auf einmal Dinge verlangt, an die man in seinen Zwanzigern gar nicht gedacht hat.

Wenn man dreißig wird, wird man dazu gezwungen an ganz schön viele neue Sachen zu denken. Na gut, vielleicht sind diese Dinge nicht so ganz neu, sie scheinen aber auf einmal viel aktueller zu sein.

dreißig

Dreißig Jahre alt werden ist wie ein gesellschaftliches Urteil: Das Leben wird ab dem Zeitpunkt ernst. Es ist wie der letzte Schritt Richtung Erwachsenwerden, das Vervollständigen der Erwachsenheit quasi. Es ist nicht schlimm, wenn man in seinen Zwanzigern an keine Familie denkt, wenn man vielleicht auch keinen tollen Job hat, ein wenig öfter fortgeht, seinem Hobby mehr Zeit widmet oder bis drei in der Früh aufbleibt, um Serien zu gucken. Doch wenn man dreißig wird, ändert sich alles. Man darf diese Dinge auf einmal nicht mehr machen. Sie sind ja nicht altersgerecht.

Ich werde oft nach meinem Alter gefragt. Meine Antwort scheint immer ein wenig Verwirrung zu verursachen: Du schaust ja gar nicht wie ein Dreißigjähriger aus! Jetzt warte mal. Wie sieht bitte ein dreißigjähriger Mann aus? Falten im Gesicht? Graues Haar? Werden vielleicht seine Knochen schwächer? Fallen seine Zähne aus? Wird er schwach? Vielleicht soll man für einen Dreißigjährigen einen Platz in der U-Bahn freilassen?

Dreißig ist ein Alter, in dem viele seltsame Dinge im Leben eines Menschen passieren. Die meisten meiner Freunde haben einen ‚nine-to-five‘ Job, gehen nach der Arbeit auf ‚after work‘ Events, treiben gelegentlich Sport. Die Bäuche werden größer, das Leben bequemer. Es ist die Zeit, in der man zwar an seiner Karriere mehr arbeitet, in fast allen anderen Bereichen wird man aber fauler. Man trifft seine Freunde weniger, treibt weniger Sport, liest weniger Bücher, ernährt sich ungesünder und verbringt mehr Zeit vor dem Fernseher.

Viele von meinen Freunden hatten ihren ‚nine-to-five‘ Job seitdem sie mit ihrer Uni fertig geworden sind. Sie verdienen gutes Geld, einige haben Kredite aufgenommen und Häuser gekauft. Jetzt wird’s sich verlobt und geheiratet. Kurz danach oder kurz davor kommen Babys auf die Welt. Das ist schließlich der Lauf der Dinge, oder?

Und all das MUSS passieren, wenn man dreißig wird. Oder kurz danach. Sonst wird sich die Familie Sorgen machen, es werden Theorien aufgestellt: Vielleicht läuft es in der Beziehung nicht so gut? Vielleicht wollen sie ja gar nicht heiraten? Können sie keine Kinder haben? Was stimmt mit ihnen nicht?

Ich habe in der letzten Zeit ein lustiges Phänomen beobachten können. Beziehungs- und Lebenskrisen, Hochzeiten, Verlobungsringe und all das hat einen gemeinsamen Nenner: dreißig Jahre alt. Was hat denn dieses Alter an sich, dass alle auf einmal verrückt werden?

Und wehe man tut das nicht. Wehe man will sich noch nicht verloben, man will noch nicht heiraten, man will noch keine Kredite für eine Wohnung aufnehmen, man macht Karriere auf keine klassische Art und Weise.

Man muss nicht verrückt werden, wenn man dreißig wird! Alles cool. Man hat noch einige Jahre vor sich, in denen man an einem Schreibtisch sitzen kann, man hat noch genug Zeit, um Kinder zu haben, man hat noch genug Zeit, um ein Haus zu bauen und man hat noch mehr als genug Zeit zu heiraten.

Ich will nicht sagen, dass jeder nicht heiraten will oder Kinder haben will. Es gibt natürlich Leute, die von einer Familie träumen und Karriere auf klassische Weise machen wollen. Ich kenne Menschen, die, aus meiner Sicht, sehr seltsame Dinge in ihrem Leben wollen. Einer meiner besten Freunde will Buchhalter werden. Ja, richtig, BUCHHALTER! Für mich gäbe es nichts Schlimmeres als in der Buchhaltung zu arbeiten, für ihn ist es ein Traumjob. Ich akzeptiere und respektiere das. Nicht anders soll es in anderen Bereichen des Lebens sein - einfach die Entscheidungen anderer Menschen akzeptieren. Jeder sollte vor seiner eigenen Tür kehren.

Alter ist immer an gewisse Normen gebunden und es wird gern gesehen, dass man diese Normen beachtet. Ich habe das Gefühl, dass Menschen in der heutigen Gesellschaft unter einem Anpassungszwang leiden. Altersnormen, Gesetze, Kulturen, Subkulturen, Religionen. Wir leben in einer Zeit, in der es so viele verschiedene Normen gibt, dass es an Unmöglichkeit grenzt, sie alle zu beachten.

Dreißig Jahre alt sein ist nicht schlimm. Ich traue mich sogar zu sagen, dass es bisher das beste Jahr meines Lebens war. Solltest du also die Panik kriegen, weil du dich deinem Dreißger annäherst: Keine Sorge. Man fällt nicht auseinander, man wird nicht schwächer und man kann immer noch Sachen machen, die man in seinen Zwanzigern gemacht hat. Ich liebe es, dreißig zu sein!

 

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