Die Sache mit der Sprache

12. November 2015

Ich habe einen Akzent. Er ist nicht stark, unzuordenbar eigentlich. Das Lustige ist, dass er sich ständig verändert. Er war mal polnisch, dann ist er mehr österreichisch geworden, dann deutsch. Jetzt wird er langsam englisch oder amerikanisch. Polnischösterreichischdeutschenglischamerikanischer Akzent also. Das hängt auch davon ab, welche Sprache ich spreche. Je nachdem, wo ich mich befinde, wird geschätzt aus welchem Land ich komme – nie richtig.

Meine Herkunft ist nicht wirklich spannend oder außergewöhnlich. Geboren in Polen und mit zwanzig nach Wien gezogen. Ich wollte eigentlich Jus oder Psychologie studieren, doch irgendwie ist daraus Publizistik geworden. (Ja, ich bin froh, dass ich Publizistik studiert habe). Seitdem ich nach Österreich gezogen bin, bin ich viel gereist. Südkorea, Japan, China, Hongkong, Singapur, Taiwan, Malaysien , Italien, Griechenland, USA, Türkei, Mexiko, Deutschland, England. In all diesen Ländern habe ich mindestens zwei Monate verbracht. Kürzere Aufenthalte in anderen Ländern werde ich hier gar nicht aufzählen. Jetzt lebe ich in London. Was hat das aber mit meinem Akzent zu tun? Mein Studium, alle Länder, die ich besucht habe und alle Menschen, die ich getroffen habe, haben meine Sprechweise  beeinflußt.

Obwohl ich es immer als dumm und irrational empfunden habe, habe ich mich immer ein wenig geschämt, dass ich anders spreche. Vor allem in Österreich war das der Fall.  Ich bin sehr oft gefragt worden, woher ich komme. Meine zwei Lieblingsreaktionen waren: ‚Ahja, das hätte ich sagen können, du hast voll den polnischen Akzent‘ und ‚Man kann überhaupt nicht sagen, dass du aus Polen bist‘. Also was jetzt? Weder das erstere, noch das letztere finde ich nett. Auch wenn beides wahrscheinlich nett gemeint ist.

Ich habe zehn Jahre gebraucht um zu verstehen, dass es keine schlimme Sache ist, einen Akzent zu haben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man dafür in Österreich ein wenig anders angesehen wird. Ich lebe jetzt in London, einer Stadt, welche mit Abstand die internationalste Stadt Europas ist. Es scheint als hätte hier jeder eine andere Herkunft. Es scheint als hätte hier jeder einen Akzent. Statt ‚Fahr nach Polen, dein Auto ist schon da‘ höre ich öfter ‚Ich war mal in Polen, ein schönes Land‘ oder ‚Ich habe einen Freund aus Polen, ein guter Mann‘. Es sieht sehr danach aus, dass ich endlich mein Zuhause gefunden habe.

 

 

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