Färbt eure Profilbilder doch so, wie ihr wollt!

20. November 2015

Eigentlich wollte ich zu dem Thema der Terroranschläge und Gräueltaten, die sich letztes Wochenende in Paris und auf der ganzen Welt ereignet haben, nichts schreiben. Wieso nicht? Ich wusste lange nicht, was ich dazu Lesenswertes hätte schreiben sollen. Dass es über Facebook-Profilbilder sein würde, darauf wäre ich beim besten Willen nicht gekommen.

Facebook in den Farben Frankreichs

Die Hard Facts konnte man auf etlichen Live-Tickern verschiedener Zeitungen verfolgen, emotionale Beiträge wie der meiner Kollegin Natalija fassen die Gedanken, die viele von uns nach diesem Wochenende hatten, wirklich gut zusammen. Ich bin also still dagesessen, habe Artikel gelesen, Videos auf Liveleak geschaut und habe die Nachrichten verfolgt. Meinen Facebook-Newsfeed zähle ich auch zu einer Nachrichtenquelle, auch er blieb in der Nacht von Freitag auf Samstag nebenbei geöffnet. Alle paar Minuten gab es neue Nachrichten über mehr Schießereien, mehr Tote, mehr Terror und immer mehr Schock. Parallel dazu färbten immer mehr meiner Facebook-Freunde ihre Profilbilder blau-weiß-rot. Die Menschen, die ihre Profilbilder in den Farben der französischen Fahne tönten, wollten ihre Solidarität und Trauer darüber ausdrücken, was geschehen ist.

Beten und Hashtags gegen Terror

Ich musste nicht lange auf die ersten Hobbyphilosophen warten, die Diskussionen entfachten, wieso dies ihrer Meinung nach falsch sei. Sein Profilbild auf Facebook zu ändern, löst nicht das Terrorproblem, meinten sie. Eh nicht. Der Hashtag #PrayForParis wurde auch von vielen in Frage gestellt. Religiöser Fanatismus hätte doch zu den Anschlägen geführt, Religionen sind das Problem. Beten löst nicht das Terrorproblem, sagten sie. Eh nicht.

Dann kamen die, die angemerkt haben, dass sich in Beirut, Nigeria und an anderen Orten der Welt zur selben Zeit auch Gräueltaten abgespielt hätten, jedoch keiner sein Profilbild in die Farben dieser Länder färben würde. Und die, die sich aufgeregt haben, dass es die „Safety Check“ Option auf Facebook für diese Region auch nicht gäbe. Und das sei nicht fair. Eh nicht. Das ist wirklich nicht fair. Wir wissen, dass jeden Tag auf der ganzen Welt Menschen sterben, über die keiner spricht. Aber dass die Taten in Paris hier im Westen mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen haben, ist jetzt wirklich kein überwältigendes Phänomen.

Manchen hilft es, manchen nicht.  

Das bedeutet nicht, dass nicht jedes Menschenleben gleich viel wert ist, und dass nicht jeder Tod genauso schlimm ist. Und genau deshalb sollten wir mit diesen ewigen Diskussionen aufhören. Das, was sich vergangenes Wochenende ereignet hat, hat die ganze Welt erschüttert.

Nicht zum ersten, und bestimmt nicht zum letzten mal. Manchen gehen die Anschläge in Paris näher, weil es in Europa ist, weil sie dort Freunde und Familie haben. Manchen gehen die Anschläge in Beirut näher, weil sie von dort kommen, weil sie dort Freunde und Familie haben. Hier sollte es keine Diskussion darüber geben, was „schlimmer“ ist, und nach mehr Aufmerksamkeit und Mitgefühl verlangt. Denn jeder Mensch zeigt dieses Mitgefühl eben auf seine eigene Art und Weise. Jeder verarbeitet die Geschehnisse anders. Manchen hilft es, ihr Profilbild blau-weiß-rot zu färben. Manchen hilft es, für Paris zu beten. Manchen hilft es, ihr Profilbild so zu lassen, wie es ist. Und nicht für Paris zu beten. Und das alles ist vollkommen okay.

Ich habe es zum Beispiel nicht gefärbt. Mein Profilbild nicht zu ändern, bedeutet keineswegs, dass ich von den Nachrichten weniger schockiert oder bestürzt bin. Ich habe mein Profibild im Sommer im Zuge der „Celebrate Pride“-Aktion nicht regenbogenfarben gefärbt, bin aber voll und ganz für das Eherecht für homosexuelle Paare. Ich finde einfach nicht, dass es so viel aussagt, es ist für mich reine Symbolik. Aber genau diese Symbolik tut doch keinem etwas Schlechtes.

Wenn ich eine Blume und eine Kerze vor die französische Botschaft lege, löse sich dann das Terrorproblem? Mit Sicherheit nicht. Aber füge ich jemandem damit etwas Böses zu? Auch nicht. Genau das gilt für die Profibild-Debatte. Sofern es keinem anderen schadet, und dir selbst hilft - wieso nicht?

Peinliche Debatte über Profilbildfarben

Was uns auf jeden Fall nicht weiterhilft, sind Vergleiche des IS-Terrors mit Kreuzzügen, Aufrufe zur Distanzierung der Muslime und irgendwelche Verschwörungstheorien, die im Internet herumgeistern.

Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich habe keine Lösung für das Terrorproblem.

Was ich aber weiß, ist, dass wir endlich aufhören sollten, gegeneinander zu haten, und aus so einem ernsten Thema eine Internet-Debatte über Profilbildfarben zu entfachen. Das ist nämlich wirklich peinlich. Vielleicht würde uns das auch einen Schritt näher bringen, dem ganzen Hass auf dieser Welt entgegenzuwirken.

In diesem Sinne:

Bete für Paris, bete nicht für Paris, bete für Beirut, bete nicht für Beirut, bete für Nigeria, bete nicht für Nigeria, bete für Mali, bete nicht für Mali, färbe dein Profilbild blau-weiß-rot, färbe es regenbogenfarben oder färbe es gar nicht. Aber bitte: Lass es die Menschen tun, die es tun wollen. Sie tun dir nichts damit. Denn eins ist sicher: Mit Hass kommen wir nicht weiter. Das haben wir, denke ich, vergangenes Wochenende alle sehr gut mitbekommen. 

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