Der wirksamste Sprengstoff ist Angst

19. November 2015

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mexiko
Foto: Artur Zolkiewicz

Ich habe die ersten Monate dieses Jahres in Mexiko verbracht. Das Land hat bekannterweise viele Probleme - Drogenkartelle, korrupte Politiker, Armut. Dementsprechend lebt es sich auch in Mexiko-Stadt: An jeder Ecke ein Polizeiwagen mit Warnlichtern, die nie ausgeschaltet werden, Polizeibeamte in voller Ausrüstung (und ich meine riesige Waffen, keine kleinen Pistolen), seltsame Blicke, die einem von vielen Einheimischen auf der Straße geschenkt werden und Gegenden, in denen Ausländer nicht gern gesehen werden. In der mexikanischen Hauptstadt fühlt man sich alles andere als sicher. Die allgegenwärtigen Polizisten und Soldaten verschlechtern paradoxerweise die Situation – man könne ihnen angeblich nicht vertrauen. Das stimmt auch, ich habe am eigenen Leib erfahren, wie korrupt die Polizei in Mexiko sein kann.

Ich habe immer wiederholt, wie froh ich bin, dass ich aus Europa bin. Keine Waffen, kein allzu großes Drogenproblem und Politiker, die nicht (so offensichtlich) korrupt sind. Ich habe nie wirklich betont, dass ich aus Polen bin, in Österreich studiert habe und in England lebe. Ich habe meistens gesagt, dass ich aus Europa bin. Der Grund dafür ist einfach: Ich bin ein stolzer Europäer, der an das Konzept Europa glaubt.

Doch im Rückblick auf die Ereignisse der letzten Woche oder sogar des letzten Jahres – wie sicher sind wir in Europa? Werden Polizisten in voller Ausrüstung an jeder Straßenecke auch bei uns bald an der Tagesordnung stehen? Müssen wir uns fürchten in die U-Bahn einzusteigen, weil es sein kann, dass dort eine Bombe explodiert?

Nein, das müssen wir nicht. Nach ein paar Monaten in Mexiko habe ich feststellen können, dass all diese Geschichten immer ein wenig übertrieben sind. Nicht jeder Polizist in Mexiko ist korrupt, nicht immer wird man seltsam angeguckt, weil man einen ausrauben will und nicht jeder Mexikaner ist ein Drogendealer. Genauso wie nicht jeder Muslim ein Terrorist ist. Angst verursacht mehr Angst. Angst ist das Futter für jegliche Art von Terror. Die Begriffsdefinition spricht ja für sich selbst: „systematische Verbreitung von Angst […]“.

Das heißt natürlich nicht, dass ich in die gefährlichste Gegend von Mexiko-Stadt reinmarschieren oder mit einem IS Kämpfer einen Kaffee trinken gehen würde. Ich werde aber wie geplant ins Konzert gehen, weiter mit der U-Bahn fahren und mich nicht beängstigen lassen. Ich werde mein Leben so leben, wie ich das bisher getan habe. Ein lautstarkes Nein zum Terror, egal ob in Form von Drogenkartellen oder IS-Terroristen, heißt, sich nicht unterkriegen lassen. Wenn wir das nicht vergessen, ist Europa noch nicht verloren.

 

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