Wird der Döner mal 8€ kosten? - Roman Hebenstreit im Interview

09. März 2017

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Roman Hebenstreit
(c) Michaela Kobsa

Die Kluft zwischen arm und reich wächst. Immer mehr Menschen leben am Existenzminimum. Roman Hebenstreit, der Vorsitzende der Gewerkschaft VIDA, will dagegen vorgehen. 


Stellen Sie vida in einem Satz vor.

Roman Hebenstreit: Wir organisieren und vertreten Arbeitnehmer im Verkehr und in der Dienstleistungsbranche.

 

Ihr Ziel ist ja zum Beispiel der Mindestlohn von 1500 Euro brutto. Wieso diese Summe?

Unser eigentliches Ziel ist ein Bruttolohn von 1700 Euro. Die Armutsgrenze liegt in Österreich derzeit bei 1163 Euro. Mit 1500 Euro brutto würde man 1200 Euro netto verdienen und wäre so knapp darüber. Unser Ziel ist es aber, dass Arbeit nicht nur die Existenz sichert. Mindestlohn soll nicht eine zweite Mindestsicherung sein. Leistung muss sich lohnen und ein würdiges Leben ermöglichen. Die von der Regierung genannten 1500 Euro sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber auch nicht mehr. Uns muss klar sein, wenn wir derart niedrige Löhne zulassen, landen Menschen, die ein Leben lang in diesen Niedriglohnbranchen arbeiten, mit Sicherheit in der Altersarmut. Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. 

 

Bis wann wollen Sie das durchsetzen?
Am liebsten bis gestern.

 

Roman Hebenstreit

 

Wie viele Menschen sind unter dem Armutsschwellwert?

Laut Statistik Austria sind es 365 500 Leute. Besonders Menschen im Dienstleistungssektor sind davon betroffen, wie zum Beispiel Friseurinnen, Reinigungskräfte, die Bewachung oder Arbeitnehmer aus dem Tourismusbereich. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen sind Migranten und gut zwei Drittel Frauen.

 

Hat die Flüchtlingswelle nach dem Bosnienkrieg dazu beigetragen, dass die Gehälter so niedrig sind?

Der Druck ist damit natürlich erhöht worden. Je austauschbarer die Arbeitskräfte, desto niedriger die Löhne. Das ist eine Machtfrage. In vielen Berufsbranchen ist Erpressbarkeit entstanden. Wir, die arbeitenden Menschen, sind durch diese Austauschbarkeit geschwächt worden.  Deshalb gibt es die Gewerkschaft. Wir sind nicht nur eine Organisation, zu der man kommt, wenn es Probleme in der Arbeit gibt. Wir sind in erster Linie eine Organisation, in der sich arbeitende Menschen zusammenschließen, um stärker zu werden. Wir müssen uns organisieren und dürfen uns nicht alles gefallen lassen. 

 

 

Stellt die derzeitige Flüchtlingswelle eine Gefahr für Ihr Ziel dar?

Von Gefahr würde ich noch nicht sprechen, aber der Druck ist natürlich hoch. Unsere Aufgabe als Gewerkschaft ist es, die bestehenden Löhne zu schützen. Klar, die Menschen kommen mit nichts und brauchen Geld. Wenn du mit dem Rücken zur Wand stehst, ist dir der Mindestlohn egal. 

 

Nochmal zu Ihrem Ziel: Wenn der Mindestlohn angehoben wird, werden dann auch die Gehälter der anderen Branchen angehoben? 

Auf kurz oder lang werden alle Löhne dadurch steigen, ja. Das wird aber nicht von heute auf morgen gehen. Man muss sich auch im Klaren sein, dass mehr Geld auch mehr Arbeitsanreiz bedeutet. Die Menschen sind dann auch motivierter, mehr für ihr Geld zu tun. Nochmal: 40 Stunden ehrliche Arbeit müssen sich lohnen.

 

Und woher würde das Geld für die Erhöhungen kommen?

Was komischerweise nie gefragt wird, „Woher kommt das Geld für die überproportional gestiegenen Managergehälter?“ Dass wir uns das nicht leisten können ist definitiv kein akzeptables Argument. Es ist ganz einfach: Wenn die Menschen nicht am Existenzminimum leben, dann können sie sich auch etwas anderes leisten als nur Miete und Lebensmittel, um über die Runden zu kommen. Die Kaufkraft wird angekurbelt und das Geld kommt so durch Wirtschaftswachstum wieder zurück. 

 

Kann es auch passieren, dass dann der Döner bei uns mal 8 Euro kosten wird, so wie es in Schweden der Fall ist?
Wenn wir die Gehälter verdreifachen, vielleicht. Es ist mir recht, wenn der Döner doppelt so viel kostet, wenn ich das Dreifache verdiene. Ich glaube, diesen Kompromiss würden die meisten eingehen.

 

Roman Hebenstreit
(c) Michaela Kobsa

 

Was wären Ihre nächsten Ziele, die Sie verwirklichen wollen?

Ein dringliches Thema ist die Neuverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung. Wir wissen, dass die Population steigt und in vielen Bereichen Roboter die Arbeit der Menschen übernehmen. Arbeit muss besser verteilt werden. Außerdem zahlen Roboter keine Steuern. Es stellt sich also auch die Frage, wer bezahlt in Zukunft etwa unsere Schulen, Pensionen und Krankenhäuser? Bill Gates Idee einer Robotersteuer halte ich mindestens für so genial wie die Entwicklung von Windows. 

 

Auf wie viele Stunden würden Sie kürzen?

Ich will keine Zahlen nennen, aber eine Arbeitszeitverkürzung muss früher oder später stattfinden. Ob es jetzt weniger Stunden sind oder eine zusätzliche Urlaubswoche wird sich herausstellen. Österreich ist Europameister, wenn es um Überstunden geht. Es kann doch nicht sein, dass immer mehr Menschen zum Überstundenmachen gezwungen werden, während andere keine Arbeit haben.

 

Was wollen Sie der Biber Community noch sagen?

Organisiert euch in eurem eigenen Interesse und tretet der Gewerkschaft bei! Je mehr wir sind, umso eher gelingt es uns, unsere Rechte zu erkämpfen. Außerdem sind wir für euch da, wenn ihr Fragen oder Anliegen habt. Wir sind für neue Ideen offen. Vielleicht sind euch auch andere Themen wichtig, die wir noch gar nicht im Visier haben? Scheut euch nicht, uns zu kontaktieren, unsere Türen stehen euch offen. 


Was ist vida?
vida ist die österreichische Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft, alle Infos hier: www.vida.at

Telefon: 01/ 53 444 79 107

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