Das „fette Schwein“ integriert sich – oder doch nicht?

18. Februar 2014

 „Schau dir die da drüben an, so ein fettes Schwein!“, solche und andere Beleidigungen hört man tagtäglich auf den Straßen. Mir tun sie weh, obwohl mich wahrscheinlich niemand als „fettes Schwein“ bezeichnen würde. Nicht mehr!

 

Jedes Mal, wenn sich jemand über „fette Kinder“ das Maul zerreißt, schreit das fette Kind in mir auf. „Was ist denn los?“, höre ich manchmal. Tja, ich war eines dieser „fetten Kinder“ über die sich so gerne lustig gemacht wird. Ich wurde als Kind ausgelacht, gehänselt und beschimpft. Da ist er, der Grund wieso ich nicht lachen kann. Sorry!

 

 

Jetzt wiege ich fast halb so viel wie früher. Die Menschen in meiner Umgebung scheinen sich schnell daran gewöhnt zu haben -  man kann sich mich sogar „gar nicht mehr anders vorstellen“. Hin und wieder höre ich sogar aus Mündern alter Bekannter abfällige Bemerkungen über Übergewichtige. Ich kann es kaum fassen! Vergessen sie so schnell?

 

Massig, füllig oder korpulent? Nein, schlicht und ergreifend „fett“ ist das Wort, das am meisten fällt, wenn über dieses Thema gesprochen wird. Viele Dinge fanden wohl früher hinter meinem Rücken statt. Klar habe ich viel mitbekommen, aber nun merke ich erst richtig, wie dünne Menschen Dicke wahrnehmen. 

 

Leute, die mich erst seit rund einem Jahr kennen, kennen nur einen Teil von mir – die Hälfte genauer gesagt. Wenn man es mir auch nicht ansieht, ich habe immer noch 125 Kilo – ganz tief in mir. Ich gehe immer noch außen herum, wenn zwei Tische nah aneinander stehen, weil ich annehme, nicht durchzukommen. Wenn ich mir meine Kleidung ansehe, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, hineinzupassen. Einen Baum hochzuklettern, erscheint mir nach wie vor als unmöglich.

 

Die Frage, die sich stellt: Was ist eigentlich so schlimm an dicken Menschen? Ja, das Gesundheitsrisiko ist enorm höher. Aber sonst? Geht man nach der Meinung einiger Mitglieder von „Ich HASSE dicke Menschen“-Seiten im Internet, sind sie schlicht und ergreifend störend fürs Auge. Mein Tipp: Wegsehen! Außerdem gelten sie als faul, undiszipliniert und ungepflegt. Einer Person, die man nicht kennt, diese Eigenschaften zu unterstellen, ist nicht in Ordnung und idiotisch.

 

Ich bin froh abgenommen zu haben - für mich selbst, nicht um mich besser in die scheinbar weitgehend oberflächliche Gesellschaft zu integrieren. Ich passe endlich in all die stylischen Klamotten, die nicht in Übergroßen produziert werden. Meiner Gesundheit hat es ebenfalls nicht geschadet. Der Blickwinkel auf die „dünne Masse" hat sich allerdings geändert. Aus Neid und Bewunderung wurde Unverständnis, Misstrauen und manchmal sogar Abneigung. Wie man mich nie sehen wird? Lachend, wenn wieder jemand einen Dicken-Witz erzählt.

Kommentare

 

sehr berührend, vanessa! vor allem der 5. absatz hat mich echt mitgenommen. ich kenne leider keinen übergewichtigen menschen, der nicht aufgrund seines gewichts beleidigt wurde.  ist man dicker darf man nicht einmal mehr in der öffentlichkeit essen, sondern  senkt den blick, damit man nicht sehen muss wie die "schlanken" über einen urteilen. so als ob man einfach nicht mehr essen sollte, nur weil man dicker ist. oder die "plus size" models von h&m und co, die höchstens kleidergröße 40 tragen. das ist doch nicht plus size. kranke welt.

 

meine tiefste hochachtung.

beim lesen deiner zeilen bekommt man den eindruck, dass du dich in erster linie nicht äußerlich sondern eher innerlich verändert hast. das ist oft bei weitem schwieriger.

 

Das ist wirklich ein toller Blog, Vanessa! Du kannst verdammt stolz sein, nicht nur auf das, was du geschafft hast, sondern auch auf das, was du bist. Danke, dass du deine persönliche Geschichte hier teilst! Und vielleicht machen sich auch ein paar von denen Gedanken darüber, die meinen sich aufwerten zu müssen, indem sie andere beleidigen und runtermachen...

 

und herzlichen Dank für Deine Offenheit. Trauen sich nicht viele!

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