Wenn Kinder ins Gefängnis müssen...

19. Juni 2012

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag.  An diesem Tag wird auf der ganzen Welt Schutz für jene eingefordert, die vor Folter, Mord, oder Verfolgung fliehen. Unter ihnen sind auch immer wieder Jugendliche, die sich alleine bis nach Europa durchschlagen. Eine Geschichte über „N“, den Jungen aus Afghanistan.

 

 

Es ist vielleicht kitschig von traurigen Augen zu schreiben. Aber traurige Augen sind und bleiben nun mal traurige Augen. Und somit etwas, was man nicht mehr vergisst. Deshalb kann ich auch darüber schreiben, über diese Aussichtslosigkeit, die Müdigkeit und die Verzweiflung, die man darin ablesen kann. Denn das alles sehe ich wenn ich „N“ gegenübersitze.

 

„N“

Es ist ein stiller, heißer Sonntag. Die Hitze steht zwischen den Häuserwänden und bringt die Luft über dem nahen Wiener Gürtel zum flimmern. Mir gegenüber sitzt „N“. Im kleinen Besuchsraum der Schubhaftstelle Josefstädterstraße blicken wir uns durch eine verschmierte Glasscheibe an und ich kann nur erahnen wie verzweifelt er wirklich ist. Seine Stimme ist leise aber freundlich. Trotz seiner Situation bedankt er sich, versucht zu lächeln, freut sich, dass ihn jemand besucht und ihn nicht alleine lässt. Leider hat „N“ eine Geschichte wie viele andere. Aus Afghanistan geflohen, über den Iran, die Türkei, Griechenland hat er es irgendwie nach Österreich geschafft. In der öffentlichen Wahrnehmung geht er mittlerweile unter. Medien berichten nicht mehr über Flüchtlinge aus Afghanistan, die Öffentlichkeit, die Menschen sehen solche Dramen gar nicht mehr. Und diejenigen, die sie sehen und ansprechen werden als „Gutmenschen“ abgetan. Aber dieser Fall ist anders, denn „N“ ist fast noch ein Kind.

 

„Ca. 21, 6 Jahre alt“

Er sei 15 Jahre alt, sagte er. Er hätte auch eine Geburtsurkunde. „Gefälscht, gelogen, stimmt nicht“ sagen die Behörden. Die umstrittene Altersbestimmung schreibt ihm ein Alter von ca. 21,6 Jahren zu. Laut Gesetz würde er bis einem Alter von 18 als minderjähriger Flüchtling gelten und besonderen Schutz genießen. Dass Österreich ihm diesen Schutz nie bieten wollte, zeigt der Antrag auf Abschiebung, der schon lange vor der Feststellung seines Alters von den österreichischen Behörden gestellt wurde. Auch, dass er Verwandte in Österreich hat, spielt keine Rolle bzw. wurde nicht berücksichtigt. Auch bei der Altersfeststellung.

 

Ab in die Ungewissheit

Jetzt sitzt er im Gefängnis, wartet und ist letztendlich in einer Situation, vor der er geflüchtet ist; er ist von der Gesellschaft unerwünscht. Er sitzt nun im Gefängnis weil er irgendwo Schutz suchte. Irgendwo, wo sein Leben nicht, wie in seiner Heimat, in Gefahr ist. Warum er im Gefängnis ist, kann er nicht verstehen. Niemand hat ihm gesagt warum er hier ist, niemand hat ihm gesagt wohin er kommt. Die Behörden wollen ihn lieber heute als morgen nach Ungarn schicken. In das angebliche Erstaufnahmeland. Dort war er noch nie, wurde dort auch noch nie aufgegriffen. Trotzdem wird er dorthin abgeschoben, von dort vermutlich nach Griechenland, von dort in die Türkei usw. Ich frage ihn, ob er weiß, wo Ungarn ist. Er schüttelt den Kopf. Ich zeichne ihm die Umrisse auf der trüben Scheibe nach und versuche ihm zu erklären, dass es kein Ort in Österreich ist, sondern ein anderes Land. Er nickt resigniert, weiß nicht mehr was zu sagen ist, bedankt sich, verabschiedet sich. Ich weiß nicht ob wir uns wieder sehen. Denn das Datum der Abschiebung ist schon der 21. Juni. Der Tag nach dem Weltflüchtlingstag.

 

Achtung nur für "Gutmenschen!"

Umbrella March

Weltflüchtlingstag

Kommentare

 

Danke Marian für dein Hinsehen!!

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