Noch ist Polen nicht verloren!

15. Dezember 2015

Polen geht’s immer besser: Wir sind ein starkes EU-Mitglied, wir werden reicher und sogar im polnischen Fußball scheint es besser zu laufen (danke, Lewandowski!). Doch seit ungefähr zwei Monaten passieren in Polen Dinge, die von niemandem in Europa ignoriert werden dürfen. Polen könnte es mit der neuen Regierung schlimmer treffen als Ungarn unter der Orbán-Regierung.

Was ist los in Polen?

Die Partei, die in Polen seit kurzem regiert heißt Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc), die nationalkonservativen Politiker machen aber alles andere, als sich Sorgen um Recht und Gerechtigkeit zu machen. Im Großen und Ganzen geht es um Folgendes: Die nationalkonservative Partei PiS hat eine Gesetzesänderung beschlossen, welche ihr das Recht gibt, die fünf Verfassungsrichter-Stellen neu zu besetzen. Dies folgte, nachdem die gerade erst erfolgte Bestellung von diesen für ungültig erklärt wurde. Als wäre das nicht genug, hat auch der neue Präsident (bis zu seinem Amtsantritt gehörte er ebenfalls PiS an) seine Rolle gespielt: Er weigerte sich, die designierten Verfassungsrichter zu vereidigen. Außerdem begnadigte er ein prominentes PiS-Parteimitglied, Mariusz Kaminski, der wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden war.

Medienfreiheit? Nix.

Es  sind auch die Journalisten von den Veränderungen betroffen: Eine Journalistin des polnischen öffentlich-rechtlichen Senders stellte zu viele kritische Fragen an den stellvertretenden Ministerpräsident und Kulturminister Piotr Gliński und hat beinahe ihren Job verloren. Ein in Polen sehr populärer Journalist, Tomasz Lis, war immer schon auf der journalistischen schwarzen Liste von PiS: Er verlor seinen Job, sobald die Partei an die Macht  gekommen ist. Lis sprach darüber mit der deutschen ARD. Daraufhin hat ein PiS-Abgeordneter gesagt, der Journalist ziehe „Polen im Ausland in den Schmutz“.

Nicht anders wird in der Kultur vorgegangen. Ein Beispiel von Veränderungen: Die Intendanten der staatlichen Theater müssen seit kurzem die Proben ihrer Stücke auf Video mitschneiden und die Aufnahmen an das Kulturministerium schicken. Sollte es dem Ministerium nicht gefallen, wird es nicht erlaubt, das Stück aufzuführen. Das erinnert stark an die Zeit der kommunistischen Zensur. All das wird von vielen als Angriff auf Demokratie und Schritt zum totalitären System gesehen.

„Die schlechteste Sorte von Polen“

Polen hatte es nie leicht: Die geografische Lage im zentralen Europa hatte es den Nachbarn immer zu einem schmackhaften Gedanken gemacht, das Land zu erobern. So war auch Polen immer von allen Seiten unter Beschuss: Russland, Deutschland (Preußen) und Österreich-Ungarn wollten immer ein Stück des osteuropäischen Landes für sich haben. Auch die neueste Geschichte hat Polen keine Schwierigkeiten erspart: Der Erste und Zweite Weltkrieg, Kommunismus, all diese Geschehnisse haben eine Spur hinterlassen, die sich tief in der Erinnerung Polens verankert hat. Polen hat keine leichte Vergangenheit, doch wir haben aus dieser Vergangenheit eine wichtige Lektion gelernt: Wir wissen, wie wir um unser Land zu kämpfen haben, wenn es nötig wird. Diesmal scheint die Gefahr nicht von außen, sondern von innen zu kommen. Es gab vergangenes Wochenende viele Demonstrationen: für und gegen die Regierung. Die Demonstranten, die gegen die Regierung manifestiert haben, wurden von Jaroslaw Kaczynski als „schlechteste Sorte von Polen“ bezeichnet. Kritik vom Ausland, vor allem aus Deutschland, verglich er mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei 1968.

„Noch ist Polen nicht verloren“

„Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben“, lauten die ersten Worte der polnischen Nationalhymne. Noch ist Polen nicht verloren, solange es Menschen gibt, die bereit sind, für die Demokratie auf die Straße zu gehen. Auch wenn sie als „schlechteste Sorte“ bezeichnet werden. Übrigens: Auch polnische Journalisten, die über Polen „schlecht schreiben“, gehören zu dieser schlechtesten Sorte. Ich bekenne mich dazu, ich bin die schlechteste Sorte von Polen. Meine Hoffnung: Noch ist Polen nicht verloren, solange es diese schlechteste Sorte gibt.

 

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