Warum zieht es uns zurück in unsere Heimat?

02. August 2016

In Polen, meinem Geburtsland, lebe ich schon seit langem nicht mehr. Studium in Österreich, viel am Reisen wegen meines Jobs und jetzt in London - Polen hatte mich sehr sporadisch über die letzten 11 Jahre.

 

In den vergangenen Monaten haben mich einige berufliche Angelegenheiten wieder öfters nach Polen gebracht. Meine Berufslaufbahn ist alles andere als typisch. Ich übe verschiedene Berufe aus und versuche, diese zu verbinden und Synergien zu finden, die mir erlauben all diese Sachen fortzusetzen und auf nichts verzichten zu müssen. Diese untypische Berufslaufbahn erlaubt mir auch, untypische Schritte in der Arbeitswelt zu machen, im Ausland arbeiten inbegriffen.

 

Ich habe eine Zeit lang intensiv darüber nachgedacht, wie ich auch in Polen etwas machen könnte. Es ist witzig, wie es einen Menschen zurück in seine Heimat zieht. Damit meine ich nicht, dass ich nach Polen zurück ziehen will. Meine Vermutung oder sogar meine Beobachtung ist, dass viele Migranten ein solches Gefühl empfinden. Ein Sehnen danach, mit der Heimat in Verbindung zu bleiben bzw. die Verbindung neu aufzubauen. Ist es, weil man vielleicht in Erfahrung bringen möchte, wie es wäre, wenn man den Schritt nicht gewagt hätte, sein Land zu verlassen? Vielleicht will man einfach nur eine stärkere Bindung zu seiner Heimat aufbauen, je älter man wird? Ich kenne die Antwort auf diese Fragen nicht. Ich weiß aber, dass dieses Phänomen nicht nur mich, sondern auch andere Migranten betrifft.  

 

polen polnische flagge

 

Ich bin gerade eine Woche in Polen arbeiten und ich liebe es. Ich habe das Gefühl, dass es sowohl zu meinem beruflichen, als auch zu meinem persönlichen Fortschritt beitragen wird. Nicht nur aufgrund neuer Erfahrungen, sondern auch, weil ich mache, was ich immer schon machen wollte. Ich erfülle einen meiner Träume. 

 

Es fühlt sich sehr eigenartig an, in dem Land zu arbeiten, in dem ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. Es ist, als würde ich jetzt all diese Dinge machen, die ich damals, nach der Schule, hätte machen sollen, wäre ich da geblieben. Ich lerne die Sprache auf eine neue Art und Weise, erinnere mich an Worte, die ich seit Jahren nicht mehr verwendet habe, rede an nur einem Tag polnisch mit mehr Menschen als ich in den letzten zehn Jahren gesprochen habe.

 

Mit jedem Tag fühle ich mich wieder mehr zuhause. Dabei war dies ganz anders, als ich in den letzten Jahren hergekommen bin. Ich habe mich jedes Mal fremd gefühlt. Als wäre ich in ein seltsames Land gekommen, welches weder mein Zuhause, noch Ausland ist. Das hat mich immer schon beschäftigt, weil ich mir nie wirklich sicher war, wie ich mich damit fühle. 

 

 

Die Persönlichkeit eines Migranten kommt mir manchmal etwas komisch vor - oder zumindest meine und die meines Umfeldes. Man weiß nicht wirklich, wo seine Heimat ist. Gefangen zwischen Kulturen, Ländern, Nationalitäten und Sprachen versucht man herauszufinden, wo man hingehört. Es ist keine einfache Aufgabe, oft wird es zu einer lebenslangen Herausforderung. Ich bin der Meinung, dass es sich auszahlt, eine nähere Verbindung mit der Heimat wieder aufzubauen.

 

Es hilft uns, sich zu definieren und zu unseren Wurzeln zurückzufinden. Wir Migranten wissen manchmal nicht, was wir wollen und was für eine Beziehung wir zu unserem Heimatland haben. Sich mit dieser Beziehung zu beschäftigen und eine gesunde Verbindung wiederherzustellen wird auf jeden Fall helfen, unsere Identität besser einordnen zu können und sich weiter zu entwickeln. 

 

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